Franz Hein hat eine kritische Würdigung der „7 Eckpunkte für das „Verordnungspaket Intelligente Netze / Baustein für die Energiewende “ des deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie durchgeführt, welche einmal mehr die Problematik zwischen „Wunschvorstellungen“ und physikalische Realitäten widerspiegelt:

Diese Unterlage ist aus meiner Sicht kein Baustein, das ist eher der Schlussstein einer damit endgültig gescheiterten, staatlich „verordneten“ Energiewende. Schon der Ansatz, mit einem Verordnungspaket die Energiewende herbei führen zu wollen, geht an der (physikalischen) Wirklichkeit vorbei. Physikalische Wirklichkeiten richten sich nicht nach Verordnungen. Ein die Wirklichkeit ignorierender Sprachgebrauch kann auch nicht „verordnet“ werden. Dazu einige Fakten:

Es gibt kein „intelligentes“ Netz. Jedwede Intelligenz, ob im Netz oder sonst wo „eingebaut“, ersetzt keine Energiebevorratung. Die Diskrepanzen zwischen zuströmender Energie und der aktuellen Energienutzung können nur durch eine Energiepufferung ausgeglichen werden. Für die Netzregelung ist eine sehr kurzfristig wirkende Pufferung nötig. Nur mit einer langfristigen und umfänglichen Energiebevorratung kann ein saisonaler Ausgleich erreicht werden. Selbst der Ausgleich zwischen Tag und Nacht setzt voraus, dass Energie in ausreichendem Umfang gespeichert werden kann. Weder ein Abregeln noch ein Lastmanagement können eine Speicherung ersetzen. Beim Abregeln verzichten wir zudem auf zuströmende Energie und setzen damit gewollt den Wirkungsgrad der Energie“ernte“ herab. Beim Lastmanagement kann nur innerhalb der (Kunden-)Prozesse von den Energienutzern selbst eingegriffen werden, nie von außen. Aber auch beim Lastmanagement kann nur eine Mithilfe bei dem notwendigen Ausgleich der Leistungsbilanz erzielt werden, wenn in den Prozessen „Puffer“ beim Energieeinsatz vorkommen, die genutzt werden können. Neben Energiepuffer können das auch Zeitpuffer sein, allerdings nur wenn die Prozesse Zeitverschiebungen zulassen. Ohne Puffer ist keine netzdienliche Mithilfe bei den Systemdienstleistungen möglich. Bei einer vollständig gelungenen Energiewende (= nur noch erneuerbare Energie wird genutzt) kann das auch nur lokal und autonom erfolgen.

Es gibt auch keine „intelligenten“ Messsysteme. Messsysteme sind zum Messen und nicht zum Steuern da. Es ist nicht Ihre Aufgabe aktiv den Energiebedarf verändern. Es fehlt der Ansatz für Energieassistenzsysteme, welche auf Nutzerseite befähigen, die Energie so effizient wie möglich, immer gemeinschaftsdienlich und möglichst kostengünstig einzusetzen. Auch bei den Fahrerassistenzsystemen in den Autos handelt es sich um Systeme mit Messeinrichtungen, Sensoren und Aktoren. Die Leistungsfähigkeiten und die vielfältigen Einsatzgebiete dieser Systeme in der Automobilbranche wären Beispiele für Energieassistenzsysteme

Es gibt keineswegs „intelligente“ Zähler. Das sind nur Messeinrichtungen, die digital arbeiten und maschinell kommunizieren können. Die Aufgabe solcher Geräte ist die Feststellung des Energieumsatzes innerhalb von Zeitperioden – nicht mehr. Alles Weitere sind Aufgaben, die von anderen Gerätschaften erledigt werden müssen. Sogar eine lokal regelmäßig durchgeführte Abrechnung in Zusammenarbeit mit Energieassistenzsystemen einschließlich der Zahlungsabwicklung (vergleichbar wie an jeder Tankstelle) wäre möglich. Das würde zudem das Ausspähen des Verhaltens der Kunden wirksam verhindern.

Dazu noch etwas Grundsätzliches: Wenn etwas als „intelligent“ benannt wird, ist es noch lange nicht intelligent. Das Benennen ändert nichts an den Eigenschaften. Der inflationäre Gebrauch des Wortes „intelligent“ führt zur Selbsttäuschung und zur Täuschung bei allen, denen solche Unterlagen wie dieses Eckpunkte-Papier zugehen.

Variable Tarife nützen nichts bei der Netzregelung
Für den Ausgleich der Energiebilanzen im kurzfristigen Bereich nützen variable Tarife überhaupt nichts. Sie sind für Netzregelzwecke gänzlich unbrauchbar. Die Preisfindung erfolgt in ganz anderen Zeitbereichen weit ab von den Erfordernissen der Netzregelung nach Zeitnähe. Die Netzregelung muss zudem permanent, also über alle 24 Stunden eines Tages (also auch in der Nacht) und an jedem Tag der Woche einwandfrei funktionieren (siehe dazu auch den Beitrag Die Zeit in der elektrischen Energieversorgung).

Variable Tarife nützen nichts für ein Speichermanagement
Für ein preisabhängiges Management einer Energiebevorratung fehlen die entsprechenden lokalen Speicher. Es fehlen auch die messtechnisch ausgeführten Beteiligungen (Istwertaufschaltungen) an externen Speichern. Damit kann ein preisbewusstes Einlagern von Energie nicht erfolgen. Aktuell hohe Preise der Energie können ohne Speichermanagement nicht für das Erzielen von Einkommen genutzt werden, selbst wenn bewusst die Speicher geleert werden sollen, um neue Einlagerungen vornehmen zu können (siehe dazu auch den Beitrag Einsatzfelder von Energiebevorratungen).

Mit von außen steuerbaren Erzeugungsanlagen oder Lasten wird die Systemsicherheit gefährdet
Von außen steuerbare Leistungsveränderungen sind ein Unding an sich und ermöglichen eine extreme Gefährdung des Gesamtsystems. Damit kann durch extern vorgenommene Manipulationen eine Gleichzeitigkeit von Leistungsveränderungen bewirkt werden, die von keiner Netzregelung mehr zu beherrschen ist. Eingriffe von außen in lokal und dezentral ablaufende Prozesse ohne jegliche Kenntnis dieser Prozesse zerstören jedwede Prozesskette, vernichten jedwede Automatisierungslösung. Das Abregeln von Erzeugungsanlagen mindert ein Bevorraten der Energie für erzeugungsschwache Perioden und senkt damit auch den Wirkungsgrad wie auch den Nutzen der Anlage (siehe dazu auch den Beitrag Orchestrierung statt Steuerung von außen).

Eine Verordnung wie die skizzierte trägt zum Tod der Energiewende bei und erstickt jedwedes Interesse an wirklich sinnvollen Lösungen für eine gelingende Energiewende. Ein richtig verstandener Lobbyismus müsste versuchen, irreführenden Benennungen, den Sachverhalt unzutreffend wiedergebende Begriffe und vor allen Dingen das Gesamtsystem gefährdende Vorgehensweisen anzumerken, letzteres sogar mit Nachdruck zu verhindern. Vielmehr müssten Vorschläge eingebracht werden, wie die Energiewende gelingen kann. Von Vorteil dafür wäre, wenn die Energiewende bis zum vollständigen Gelingen durchdacht wird. Jede Prozentzahl unterhalb 100 % beim Anteil der erneuerbaren Energien und jede willkürlich gesetzte Jahreszahl für das Ende einer Betrachtung der Konsequenzen der Energiewende engen den Horizont beim Denken ein und können zu unzutreffenden Schlussfolgerungen führen.

Das als Kommentar so kurz wie möglich. Es wäre noch mehr anzumerken (z.B.: was sollen staatlich verordnete Preisgrenzen?). Das lohnt aber nicht den Aufwand. Wie diese Unterlage als ein Baustein für die Energiewende bezeichnet werden kann, ist mir völlig unklar.

Weitere Hintergrundinformationen befinden sich im Vortrag: Wie funktioniert der Strommarkt?